Hedwig Stocker
Kindermädchen, Gefängnisaufseherin
Hedwig Stocker wurde am 14.7.1903 in Krems als Tochter von Johann und Barbara Stocker geboren. Ihr Vater war Weinhauer und starb im November 1918. Durch den frühen Tod des Vaters war Hedwig früh gezwungen, selbst für ihren Lebensunterhalt aufzukommen. Sie arbeitete als Kindermädchen und war 18 Jahre lang in vier Privathäusern in Krems tätig.
Im März 1941 begann sie im Gefängnis des Kreisgerichtes Krems zu arbeiten. In ihrer Beurteilung hieß es, dass sie ein sicheres Auftreten habe, fleißig sei und gewissenhaft der Arbeit nachgehe. Kurze Zeit nach ihrem Dienstbeginn war für viele politische weibliche Häftlinge klar, dass diese Aufseherin sie unterstützen würde. Die Frauen bastelten ihr ein Herz mit liebevollen Widmungen und dichteten für sie Scherzgedichte über den Alltag hinter Gittern. Während des Massakers im Zuchthaus Stein im April 1945 waren gewaltsame Übergriffe auf Häftlinge auch im Gefängnis Krems nicht ausgeschlossen. Hedwig Stocker nahm die wegen ihrer Tätigkeit für die Revolutionären Sozialisten inhaftierte Maria Pollak mit nach Hause und versteckte sie in ihrer Weingartenhütte in der Riede Thalland, nördlich von Rohrendorf bei Krems. Bis zur Befreiung versorgte Hedwig Stocker die Gefangene mit Essen.
Damit Hedwig Stocker nach der Befreiung 1945 weiterhin als Aufseherin tätig sein konnte, schrieben ehemalige Häftlingsfrauen eine Petition über ihr Verhalten. „Wir bestätigen, dass sich Fr. Hedwig Stocker (…) immer als der schützende und gute Geist der politisch Inhaftierten gezeigt hat. Sie war immer bemüht, uns die Zeit der Haft zu erleichtern und das schon zu einer Zeit, in der Indifferente noch nicht glaubten, dass Deutschland den Krieg verlieren wird. Sie hat unter Hintansetzung ihrer Person, und dem Risiko ihre Stellung zu verlieren, alles für uns getan wie z.B. mit Essen versorgt (…) In den letzten kritischen Tagen, als die Ereignisse im Zuchthaus Stein auch von Krems übergriffen (6. bis 8. April), hat Frau Stocker aus eigener Initiative die Flucht von politischen Häftlingen vorbereitet und unterstützt.“ Im Jahr 1950 ging Hedwig Stocker in Pension. Regelmäßig bekam sie Besuch von „ihren Häftlingsfrauen“, sowohl jenen, die bis 1945 inhaftiert waren wie auch den Personen, die nach 1945 zum Beispiel als Nationalsozialistinnen eingesperrt waren. Hedwig Stocker starb 1997 in Krems.
(Robert Streibel)
Siehe ausführlich: Robert Streibel: Der Engel von der Kasernstraße. Die Gefängnisaufseherin Hedwig Stocker aus Krems. In: Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft, Nr. 3/2019, S. 7-12, abrufbar unter: http://www.klahrgesellschaft.at/Mitteilungen/Streibel_3_19.pdf