Gerda Kullnig (Kullnig-Seyss, später: verh. Wernig)
Ärztin, NS-Widerstand

Gerda Friederike Anna Seyss wurde am 15.11.1918 als Tochter von Friederike/Frieda (geb. Grasser, 8.5.1899 in Palt, gest. 1970) und Alfred Seyss (geb.20.6.1878 in Marienbad, gest. 1945) in Palt (heute eine Katastralgemeinde von Furth bei Göttweig) geboren.1 Ihr Vater, zuvor Richter in den böhmischen Städten Reichenberg, Eger und Hohenfurth, wurde 1919 nach Krems versetzt, am Kreisgericht Krems war er später als Landesgerichtsrat tätig.2 Gerda begann 1937 ein Medizinstudium an der Universität Wien, das sie 1942 abschloss.3 Noch vor Studienabschluss heiratete sie 1942 in Graz den Arzt Gustav (Adolf) Kullnig (geb. 18.10.1902 in St. Franziski, Kärnten4, gest. 15.4.1945 in Stein).5
1944/45 war sie bei ihren Eltern in Palt wohnhaft. Gemeinsam mit ihrem Ehemann schloß sie sich der Widerstandsgruppe „Österreichische Freiheitsbewegung“ an, die Anfang 1945 nach ihrer Aussage von Josef Czeloth gegründet worden war6 (weitere Mitglieder u.a.: Rosa Czeloth, Ernestine Strohmayer, Anton Ebentheuer, Johann Pfeiffer, Josef Diewald – siehe Theresia Diewald -, Ferdinand Spiller, Rudolf Scheidl, Stefan Fink, Heinrich Schwarzhappel). Die Gruppenmitglieder sollen sich in unregelmäßigen Abständen im Friseurgeschäft Czeloths oder in der Arztpraxis  von Gustav Kullnig (Krems) getroffen haben.7 Ein Treffen der Gruppe wurde von einem eingeschleusten Spitzel verraten und die Gruppe beim Gasthaus Schwarzhappel am 7. April 1945 in Wolfenreith (Bergern) von der Gestapo gestellt. Gustav Kullnig und Josef Diewald konnten fliehen, alle anderen wurden verhaftet. Ein namentlich nicht bekannter griechischer Häftling aus dem Zuchthaus Stein, der sich der Gruppe angeschlossen hatte, wurde während der Verhaftungsaktion vom Gestapo-Beamten Walter Steiner getötet.8  Gustav Kullnig hielt sich zunächst bei einer Bäuerin versteckt und kehrte wenige Tage später nach Palt ins Haus seiner Schwiegereltern zurück. Dort wurden er, Gerda Kullnig und ihre Mutter Friederike von der Gestapo verhaftet. Zwei Tage später wurde Gerda Kullnig wieder enthaftet, da sie jede Zugehörigkeit zur Widerstandsgruppe leugnete. Ihre Mutter war schon davor enthaftet worden.9 Gustav (Adolf) Kullnig, Anton Ebentheuer und Josef Czeloth wurden von einem Standgericht zum Tod verurteilt und am 15. April 1945 im Zuchthaus Stein erschossen.10 Gerda Kullnig lebte später in Innsbruck, 1961 heiratete sie den Steinmetzmeister Herbert Otto Wernig (geb. 1927 in Innsbruck). Gerda Wernig starb am 19.3.2001 in Innsbruck.11 
(Edith Blaschitz, Aktualisierung 2.2.2024) 

Quellen:
Egerer Anzeiger; Die Weltpresse; Wiener Zeitung; Taufbuch Furth; Trauungsbuch Furth; Wiener Stadt- und Landesarchiv (Volksgericht, Vg 2e Vr 2469/45; Vg 8 Vr 398/51); Studieninformationen Gerda Seyss/Gerda Kullnig, Universitätsarchiv Wien; Adressbuch Krems 1931; Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hg.): Widerstand und Verfolgung in Niederösterreich 1934-1945. Wien 1987 (Band 2); Herbert Exenberger Vergessene Opfer des NS-Regimes Gedächtnisorte ohne Erinnerung. In: Heinz Arnberger / Claudia Kuretsidis-Haider (Hg.): Gedenken und Mahnen in Niederösterreich. Erinnerungszeichen zu Widerstand, Verfolgung, Exil und Befreiung, mandelbaum verlag 2011, S. 149-159Ferihumer, Konstantin: Der SteinKomplex“. Zur Aufarbeitung von Kriegsendphasenverbrechen des Zweiten Weltkrieges im Raum Stein a. d. Donau. Univ. Wien: Unveröffentl. Masterarbeit 2012; Schafranek, Hans: Die Widerstandsgruppe um Adolf Kullnig und Josef Czeloth in Krems und Umgebung (1944–1945), in: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hrsg.), Fanatiker, Pflichterfüller, Widerständige. Reichsgaue Niederdonau, Groß-Wien, Wien 2016 (= Jahrbuch 2016), S. 34-37; Petra Scheiblechner: Politisch ist er einwandfrei. Kurzbiographien der an der Medizinischen Fakultät der Universität Graz in der Zeit von 1938 bis 1945 tätigen WissenschafterInnen, Band 39. Graz: Akademische Druck- u. Verlagsanstalt Graz 2002.

Gerda Kullnig

Fußnoten

  1. Siehe Trauungsbuch 30.1.1917, Furth; Grabstein, Friedhof Furth; Taufbuch Furth, 1918.
  2. Siehe u.a. Egerer Anzeiger, 4.4.1903, S. 3; Egerer Anzeiger, 5.10.1907, S. 6;  Wiener Zeitung, 19.7.1919, S. 2; Adressbuch Krems 1931
  3. Promotion am 18.12.1942, siehe Medizinisches Promotionsprotokoll Bad. 14,  Kod. M 33.14, Prot.Nr. 427, dort mit dem Nachnamen Kullnig, Universitätsarchiv Wien, Informationsschreiben vom 2.2.2024.
  4. Scheibenlechner, S. 132f.
  5. Taufbuch Furth, 1918;
  6. Zeugenaussage Gerda Kullnig, 28.11.1956, KG St. Pölten, 5 Vr 212/56 (=DÖW E 19.289), abgedruckt in: Widerstand und Verfolgung (Band 3), S. 321f.
  7. Safranek schreibt, dass man sich in Czeloths Geschäft in Furth traf, siehe Safranek, S. 34.
  8. Widerstand und Verfolgung in Niederösterreich 1934-1945 (Band 2), S. 517, 531 f., 544–547; Exenberger, S. 158.
  9. Zeugenaussage Gerda Kullnig, 28.11.1956, KG St. Pölten, 5 Vr 212/56 (=DÖW E 19.289), abgedruckt in: Widerstand und Verfolgung (Band 3), S. 322.
  10. Exenberger, S. 158.
  11. Siehe Fußnote 3, weiters Taufbuch Furth.
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