Annie Rosar (auch: Rose Bernd)
Schauspielerin

Annie Rosar in ihrem Wachauer Weingarten, In: Mein Film, 1935, Heft 515, S. 18

Geboren am 17.5.1888 in Wien. Sie stammte aus einfachen Verhältnissen, der Vater Michael Rosar war Straßenbahnschaffner (Mutter: Agnes, geb. Mikula, Hausfrau), zwei Geschwister. Annie Rosar besuchte die Handelsschule, danach Arbeit als Sekretärin. 1907 Heirat mit Max Walser, einem Schweizer Exportkaufmann, mit dem sie nach Mailand zog.
1910 Rückkehr nach Wien, Aufnahme in die Schauspielschule der Akademie für Musik und darstellende Kunst, im selben Jahr bereits Debut am Lustspieltheater von Josef Jarno. Danach als jugendliche Heldin am Münchner Schauspielhaus und in Hamburg tätig (als Rose Bernd). Ab 1917  am Wiener Burgtheater engagiert. Sie stellte klassische und moderne Frauenfiguren dar (griechische und deutsche Klassiker, Shakespeare, Ibsen). 1919 Heirat mit dem Rechtsanwalt Robert Beinarth. Annie Rosar konvertierte zum protestantischen Glauben, war doch ihr Ehemann vom mosaischen Glauben zum Protestantismus übergetreten. 1921 Heirat mit Ladislaus Fuchs (gest. 1927), im selben Jahr Geburt des Sohnes René. Von 1925 bis 1938 spielte sie  in der Josefstadt unter Max Reinhardt. Hier übernahm sie auch komische Rollen.

Franz Rebiczek und Annie Rosar, in: Der Tag, 30.5.1930

1930 Heirat mit dem Juristen, Schriftsteller und Referenten im Wiener Stadtschulrat Franz Rebiczek (auch Rebiczek-Rosar, Rebizek, geb. 1891 in Taus, Böhmen, gest. 1961 in Krems), der sich für die Sozialdemokratie engagierte und deshalb 1935 vom Stadtschulrat suspendiert wurde.
Nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 arrangierte sich Rebiczek und übernahm eine Funktion im „Touringclub Ostmark“, später wurde er freier Mitarbeiter des „Völkischen Beobachters“. Annie Rosar stellte 1939 den Antrag auf NSDAP-Mitgliedschaft.  Da Ladislaus Fuchs, der Vater ihres Sohnes René, jüdischer Herkunft war, gab Annie Rosar zudem an, dass Max Walser Renés Vater sei. Gerüchte über Renés jüdische Herkunft sollten in den kommenden Jahren jedoch nicht verstummen, nichtzuletzt befeuert durch dementsprechende Aussagen von Franz Rebiczek-Rosar im Zuge von zwischenzeitlichen Scheidungsverhandlungen. René, seit dem Beitritt in die illegale Hitlerjugend überzeugter Nationalsozialist, starb 1943 als Soldat an der Ostfront.
Annie Rosars Name  findet sich auf der 1944 erstellten Liste der „Gottbegnadeten“ – einer Zusammenstellung von Künstler*innen, die aus Sicht des Regimes unverzichtbar waren und für Progagandazwecke eingesetzt werden konnten, wie die von Goebbels benannten Schauspieler*innen für Propagandafilme. Annie Rosars Theaterkarriere blieb ohne Brüche: 1939–1944 am Volkstheater, 1945–1947 am Wiener Bürgertheater und 1947–1951 wieder am Volkstheater.
Seit 1919 war Annie Rosar auch für den Film tätig. Ihre Filmkarriere nahm mit dem Tonfilm in den 1930er Jahren Fahrt auf. Sie wurde vor allem durch ihre komischen Rollen – vorwiegend in österreichischen, aber auch in deutschen – Produktionen populär und verkörperte oft Schwiegermütter, Pensionsbesitzerinnen, Haushälterinnen und Köchinnen, u. a. in „Unsterbliche Melodien“ (A 1935, R.: Heinz Paul) und „13 Stühle“ (D 1938, R.: E.W. Emo). Nach dem „Anschluss“ 1938 konnte sie nicht nur ihre Theater- sondern auch ihre Filmkarriere ungebrochen weiterführen. Sie trat weiterhin oft in Unterhaltungs- und Historienfilmen auf (u.a. Wien-Film, Bavaria-Film), so in „Meine Tochter wohnt in Wien“ (D 1940, R.: E.W. Emo), oder „Wen die Götter lieben“ (D 1942, R.: Karl Hartl).
Eine von ihren üblichen Darstellungen abweichende Rolle war die der Donata Opferkuch im Melodram „Die goldene Stadt“ (D 1941/1942, R.: Veit Harlan). Rosar bezeichnete die Arbeit mit dem Regisseur Veit Harlan, der zuvor den  antisemitischen NS-Propagandafilm „Jud Süß“ (D 1940) gedreht hatte, in einem Interview 1942 als ihre „bisher schönste“.1 „Die goldene Stadt“ war der zweite deutsche Spielfilm in Farbe und mit über 30 Millionen Kinobesucher*innen einer der erfolgreichsten Spielfilme der NS-Zeit. Der Film stellt das „reine“ deutsche Bauerntum „verderbten“ Slawen gegenüber. Das deutsche Bauernmädchen Anna (Kristina Söderbaum)  wird in Prag vom Tschechen Toni Opferkuch verführt und erwartet ein Kind.  Toni wendet sich von ihr ab, nachdem er erfahren hat, dass sie kein reiches Erbe erhalten wird. Donata, Tonis Mutter, bittet Anna ihrem Sohn nicht im Wege zu stehen. Anna kehrt in ihr Heimatdorf zurück, doch auch ihr Vater weist sie zurück. Anna begeht Selbstmord. Die „Reinheit des Blutes“ bleibt bewahrt. Rosar nannte ihre Darstellung von Tonis Mutter Donata im Interview als „geradezu widerliche Rolle“ und zeigt sich erstaunt über den Erfolg, den sie damit feiert.2 Wegen seiner rassistischen Inhalte wurde der Film nach 1945 zunächst verboten, ab 1954 aber wieder in gekürzter Fassung gezeigt.
Das Kriegsende erlebte das Ehepaar Rebiczek-Rosar aus Angst vor Bombenangriffen und der Einberufung Rebiczeks in den Volkssturm in einer Weinhütte in Imbach bei Krems. Obgleich es Vorwürfe der Kollaboration mit dem NS-Regime gab, wurde Franz Rebiczek nach 1945 kurzfristig als Bezirkshauptmann von Krems eingesetzt, später als Stellvertreter. Annie Rosar suchte – letztendlich erfolgreich – um Nichtregistrierung als NSDAP-Mitglied an und versicherte, dass sie nur auf Drängen ihres Sohnes Mitglied geworden war. Nach einer Denunziation leitete 1946 der „Ehrenrat der Bühnengewerkschaft“ ein Verfahren gegen sein provisorisches Mitglied Annie Rosar ein und ließ sie zunächst über die russische Kommandantur für den Film sperren. Nach Prüfung und Anhörung von Zeug*innen hielt der „Ehrenrat“ in einem Bescheid fest, dass zwar kein Nachweis erbracht wurde, dass Annie Rosar finanzielle oder künstlerische Vorteile aus „ihrem Verhalten während des nationalsozialistischen Regimes“ gezogen, man aber den Eindruck gewonnen habe, „dass Frau Rosar bestrebt sei, sich den jeweiligen politischen Machthabern anzubiedern“. Unter Einräumung einer zweijährigen „Bewährungsfrist“ könne sie vorbehaltlich in den „Österreichischen Gewerkschaftbund“ aufgenommen werde.3
Nach dieser Entscheidung konnte sie ihre erfolgreiche Filmtätigkeit vor allem mit Komödien und Heimatfilmen fortsetzen, so u.a. in „Hallo Dienstmann“ (A 1951/52, R.: F. Antel). Anerkennung fand ihre ernste Darstellung einer bigotten Köchin auf Pilgerfahrt im Film „Der veruntreute Himmel“ (D 1958: R.: Ernst Marischka), der auf dem gleichnamigen Roman Franz Werfels beruht.
Auch in den Wachau-Heimatfilmen „Die Lindenwirtin vom Donaustrand“ (A 1957, R.: Hans Quest) und „Heimweh, dort wo die Blumen blühen“ (A 1957, R.: Franz Antel) spielte sie mit. Ihr Bezug zur Region war eng. Bereits 1933 hatte Annie Rosar einen Weingarten in Krems, wo Franz Rebiczeks Mutter lebte, gekauft. Das Ehepaar besaß eine Wohnung in Krems, Franz betreute den Weingarten und produzierte Wein.
Bis zu ihrer Trennung von Franz Rebiczek-Rosar Mitte der 1950er Jahre (das Scheidungsverfahren wurde bis zum Tod Rebiczek-Rosars nicht vollzogen) beteiligte sich Annie Rosar aktiv am Kremser Kultur- und Gesellschaftsleben. Sie habe „die Hochkultur der Bundeshauptstadt ins damals provinzielle Krems“ gebracht, schreibt Kurt Preiss rückblickend.4
Annie Rosar starb am  5.8.1963 in Wien. Ihr Ehrengrab befindet sich am Wiener Zentralfriedhof. 1997 wurde der Annie-Rosar-Weg im 22. Wiener Gemeindebezirk nach ihr benannt.

Ausz., Mitglsch.: 1950 40-jähriges Bühnenjubiläum am Volkstheater, 1958 Ehrenmedaille der Stadt Wien, 1961 Goldener Bambi (Deutscher Filmpreis), Ehrenkreuz Erster Klasse für Kunst und Wissenschaft (1961).
(Edith Blaschitz)

Quellen:
Der Tag, 22.5.1930, S. 12; Neues Wiener Journal, 14.8.1927, S. 14; Illustrierte Kronen Zeitung, 13.12.1942, S. 6; Völkischer Beobachter 14.12.1942, S. 4; Das kleine Volksblatt, 20.12.1942, S.6; Das kleine Volksblatt, 4.7.1943, S. 6; Regina Jankowitsch, Annie Rüdegger-Rosar: Die Schauspielerin Annie Rosar (1888-1963). Geschichten einer Überlebenskünstlerin. Wien: Böhlau 2022, S. 34, 39, 42f, 76, 111, 115, 118f, 136, 156, 189f, 192f, 198f, 204f, 210f, 288;
Ilse Korotin (Hg): BiografiA: Lexikon österreichischer Frauen. Wien, u.a. 2016. (Tagblattarchiv/Personenmappe; L.: Bamberger 1966, BLÖF, Kosch 1953, Müller 1970, Prominenz der Republik Österreich 1962, Teichl 1951, Wagner 1992, Wedel 2010, Wer ist Wer in Österreich 1953, Die Presse; 15.5.1958, ÖTZ 17.5.1958, WW 27.5.1950); Preiss, Kurt: Von der Befreiung zur Freiheit. Krems 1945-1955. Krems 1997, S. 32-36; https://de.wikipedia.org/wiki/Annie_Rosar; https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Annie_Rosar; https://www.deutsche-biographie.de/gnd130136867.html#ndbcontent; https://www.zukunft-braucht-erinnerung.de/die-goldene-stadt-von-veit-harlan/; https://de.wikipedia.org/wiki/Die_goldene_Stadt; https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Franz_Rebiczek

Filmografie:
Siehe filmportal.de

Annie Rosar

Fußnoten

  1. Das kleine Volksblatt, 20.12.1942, S. 2
  2. Ebd.
  3. „Ehrenrat, Überprüfugsausschuss der Sektionen Bühne, Film und Artistik der Gewerkschaft der Angestellten und freien Berufe des Österreichischen Gewerkschaftsbundes“, 6.12.1946, zit. nach Regina Jankowitsch, Annie Rüdegger-Rosar, S. 204f
  4. Preiss, S. 36.
Markiert in: