Aranka Kerzendorfer

(Foto privat, M. Danesi)

Aranka Kerzendorfer wurde am 25. Oktober 1900 unehelich in Budapest geboren. Ihre Mutter stammte aus Rybnik in Galizien (heute: Polen). Ihr Vater war ein ungarischer Kleinadeliger, in dessen Haushalt die Mutter als Köchin beschäftigt war.
Aranka wuchs bei (vermutlich nicht-jüdischen) Adoptiveltern in Újszász, 90 km von Budapest entfernt, auf. 1919 lernte sie dort Ferenc (Franz) Kerzendorfer kennen, der nach dem Ende des Ersten Weltkrieges in der Armee der Räterepublik von Béla Kun diente. Ferenc stammte aus Pozsony (heute: Bratislava). Seine Mutter war ungarisch-stämmig, der Vater kam aus Österreich. Aranka und Ferenc verliebten sich ineinander und heirateten im Oktober 1920, nachdem Aranka offiziell zum katholischen Glauben übergetreten war.
Nach Umwegen über Bukarest, Rumänien, und Bratislava, CSR (heute: Slowakei), ließ sich das Ehepaar 1925 in Niederösterreich nieder, da Ferenc aufgrund der Herkunft seines Vaters in Furth das Heimatrecht besaß. Mautern bei Krems wurde zum Wohnort der jungen Familie, in die bis zum Jahre 1937 drei Töchter geboren wurden. Aranka kümmerte sich um die Kinder und den Haushalt, lernte Deutsch, strickte in Heimarbeit, half bei Erntearbeiten, schloss Freundschaften mit anderen Frauen und vermittelte Kindermädchen nach Ungarn.
Ferenc arbeitete in Stein bei der Teppichfabrik Eybl und war Anhänger der legitimistischen Bewegung, und als solcher ein erbitterter Gegner der Nationalsozialisten. Im August 1942 wurde er verhaftetet und des Hochverrates angeklagt – er hatte an seinem Arbeitsplatz an politische Zwangsarbeiterinnen ‚Liebesgaben‘ in Form von Zigaretten und Obst verteilt. Um ‚den Roten‘ verstehen zu geben, dass es auch andere Gruppierungen gab, die mit dem Nazi-Terror nicht einverstanden waren, hatte er ihnen obendrein ein Bild von Otto von Habsburg hingehalten.

(Foto privat, M. Danesi)

Während der Gefangenschaft ihres Mannes bis zum Kriegsende musste Aranka sich und ihre Mädchen allein versorgen – mehr schlecht als recht durch Handarbeiten in Heimarbeit, Erntehilfe, Tauschhandel gegen Lebensmittel. Zum Hunger gesellte sich für Aranka die Angst um das Leben von Ferenc (seine Verhandlung mit dem Urteil Haftstrafe fand erst im Dezember 1943 statt) und die Sorge um Dokumente aus Ungarn für ihren eigenen Ahnenpass. Nach wiederholten erfolglosen Bemühungen musste im Januar 1945 schließlich auch Aranka den gelben Stern an ihre Kleidung heften – als einzige Bewohnerin Mauterns*.

Im Mai 1945 wurde Mautern von der Roten Armee befreit und Teil der russischen Zone. Die Familie war wieder vereint und es wurde ihr ein leerstehendes Haus einer geflüchteten Nazifamilie als Wohnraum zugewiesen. Gegen Ende des Jahres schien die Lebenslage der Familie Kerzendorfer sich zu normalisieren – Ferenc konnte an seinen alten Arbeitsplatz bei der Firma Eybl zurückkehren. Doch da wurde die älteste Tochter schwanger – das erste Enkelkind war ein ‚Russenkind‘.
Seine Mutter floh aus Scham und Überforderung mit dieser Situation zum Arbeiten in die Schweiz, die Großeltern zogen das Kind auf. Dann kehrte 1948 auch noch die Nazifamilie in ihr Haus zurück, das sich beide Familien fürderhin teilen mussten. Erst 1957 wurde das erste Mehrparteienhaus in Mautern errichtet, in dem auch der Familie Kerzendorfer eine Wohnung zugeteilt wurde.

(Foto privat, M. Danesi)

In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre unternahm Aranka wieder Reisen nach Ungarn, um Verwandte und Bekannte zu besuchen. In den folgenden Jahren reiste sie regelmäßig im Sommer in ihre alte Heimat, meist begleitet von ihrer Enkeltochter. 1971 verwitwete Aranka und verstarb im September 1977 in Mautern.
(Maxa Danesi)

 

 

 

 

 

Literatur:
Maxa H. Danesi: Ungarische Beste. Eine Wachauer Leidenschaft. Weitra: Bibliothek der Provinz 2023.

 

* Andere jüdische Bewohnerinnen des Ortes waren bereits 1938 ausgewiesen worden.

Aranka Kerzendorfer